Startbildschirm der Mühlenanimation

Der Startbildschirm der Anmimationen.

Der virtuelle Weg vom Korn zum Mehl

Die historische Technik hat beachtliche Dimensionen: Über drei Etagen plus Keller verbreiten sich in der Beelitzer Wassermühle, die derzeit zum Mühlenmuseum umgebaut wird, Treibriemen, die eine Vielzahl alter Maschinen zur Kornverarbeitung antreiben. Ob Mühlsteine, Walzen mit verschiedenen Riffelungen oder Siebe mit unterschiedlichen Feinheitsstufen – es ist nicht einfach, angesichts der vielen Maschinen und Förderbänder nachzuvollziehen, wie genau hier über Jahrhunderte ein Getreidekorn zu Mehl, Gries oder Schrot verarbeitet wurde. Damit die künftigen Mühlenbesucher die Vorgänge anschaulich nachvollziehen können, ist ein digitales Museumskonzept mit Animationen und Mitmachstationen entwickelt worden.

Lisa Heese am Mühlenmuseum

Museumsmitarbeiterin Lisa Heese.

„In einem Museum einfach nur eine Informationstafel neben die nächste zu hängen, erschien uns nicht mehr zeitgemäß. Deshalb haben wir ein Konzept entwickelt, wie wir die Abläufe und Informationen digital veranschaulichen können, und gemeinsam mit kompetenten Partnern umgesetzt“, sagt Lisa Heese, Museumsmitarbeiterin der Stadt Beelitz, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Justine Remus die Pläne erstellt hat und umsetzt.

Wer künftig vor den Maschinen steht, kann auf einem Touchscreen die Animation der Vorgänge in der Mühle starten und den Weg des eingeworfenen Korns genau verfolgen. Das Video, in dem der gesamte Mahlprozess beschrieben wird, dauert etwa vier Minuten. Zu jedem Verarbeitungsschritt wird neben der Animation auch ein kurzes Video gezeigt, welches die entsprechende Maschine real bei der Arbeit zeigt. „Auch Einblicke von oben oder von der Rückseite sind so möglich geworden. Der Mahlprozess ist für die Besucher jetzt viel besser nachvollziehbar, als wenn sie nur die Maschinen in Aktion sehen würden“, so Lisa Heese. Natürlich lassen sich die Visualisierungen der einzelnen Verarbeitungsschritte auch direkt anwählen. Nach jedem Schritt können Betrachter wählen, ob sie weitere Informationen zu diesem Punkt erhalten oder im Verarbeitungsprozess des Korns fortfahren wollen.

Da die Technik ohnehin nur im Rahmen einer Führung eingeschaltet wird – durch die offenen Treibriemen wäre sonst die Verletzungsgefahr zu groß –, und aus hygienischen Gründen auch kein Korn mehr gemahlen wird, sind die Videos die ideale Möglichkeit, um nachzuvollziehen, wie an dem Standort über Jahrhunderte gearbeitet wurde. An einer Mitmachstation können die Besucher zudem selbst zugreifen, und dabei Informationen zu anderen getreideverarbeitenden Berufen erhalten: Wer eine bereitliegende Mehltüte zur Station trägt, erhält Informationen zum Bäckerhandwerk. Wird stattdessen eine historische Bierflasche zum Sensor bewegt, werden Informationen zum Brauerhandwerk angezeigt.

In die Geschichte tauchen die Besucherinnen und Besucher des Museums auch an einer Hörstation ein: Vier Personen, die stellvertretend für Müller und Müllerinnen vom 16. bis ins 20. Jahrhundert stehen, erklären dort die Tücken ihres Alltages. Lisa Heese: „Sie erzählen davon, wie hart die körperliche Arbeit war, wenn man täglich mit vielen Kilogramm schwere Korn- und Mehlsäcke hantieren muss. Außerdem erklären sie die Brandgefahr, die besonders in den ersten Jahrhunderten hoch war, als der Mehlstaub noch mehr oder weniger unkontrolliert in der Luft lag. Und auch die Besonderheiten, denen eine Müllerin bei der Arbeit in einer Ackerbürgerstadt ausgesetzt war, werden erörtert.“

Das Projekt der Museumsdigitalisierung hat insgesamt knapp 34.000 Euro gekostet, von denen rund 25.000 Euro im Rahmen des „Soforthilfeprogramms Heimatmuseen und landwirtschaftliche Museen 2021“ des Deutschen Verbandes für Archäologie (DVA) gefördert wurden. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Darin enthalten ist als wichtiger Baustein auch eine Digitalisierung des Museums und seines Inventars: Auf der Plattform Museum digital sind Fotos und Kurzbeschreibungen der Ausstellungsstücke online. Die Fotos stammen vom Potsdamer Fotografen Michael Lüder, die Beschreibungen vom Potsdamer Team der Kreativköpfe, die sich der Raum- und Ausstellungsgestaltung widmen.

Die digitale Erfassung aller Ausstellungsstücke ermöglicht es künftig auch, Museumsarbeit durchzuführen, wenn das physische Museum geschlossen bleiben muss – wie im Lockdown im Zuge der Covid-19-Pandemie. Zudem wird mit der digitalen Zusammenstellung auch die Planung von Ausstellungen vor Ort einfacher, da die Planer einen besseren Überblick über den Museumsbestand haben.

„Mit der digitalen Offensive macht die Beelitzer Museumslandschaft noch einmal einen großen Sprung nach vorn. Das Mühlenmuseum wird mit seinen vielfältigen Installationen eine neue, dauerhafte Attraktion für die Stadt auch über die Landesgartenschau, zu der es eröffnet wird, hinaus“, so der Beelitzer Bürgermeister und LAGA-Geschäftsführer Bernhard Knuth.

Rund 2,4 Millionen Euro wurden in Kauf und Sanierung des seit den 1970er Jahren nicht mehr genutzten Mühlenhauses, dessen Technik zunächst durch ein Wasserrad und seit den 1960er Jahren elektrisch angetrieben wurde, investiert. Die Investition wird vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung aus Mitteln des Denkmalschutzes gefördert.

Damit entsteht auch für die jüngsten Beelitzer ein neues Highlight: Im Obergeschoss der Mühle ist ein museumspädagogischer Bereich untergebracht, in dem auch Kita-Gruppen und Schulklassen das Müllerhandwerk erklärt wird. Dieser Punkt war den Planern besonders wichtig: In den unteren Geschossen ist der Raum durch die historische Technik und die anderen Ausstellungsstücke begrenzt und die Arbeit mit Gruppen nur eingeschränkt möglich. Mit dem Konzept können Kinder nun zuerst die Technik sehen und an Mitmachstationen etwa in einer im Boden eingelassenen Waage erfühlen, wie schwer Gewichte wirklich zu heben sind. So können sie schon Eindrücke sammeln, bevor die Gruppenarbeit überhaupt beginnt.

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