Regina Schmidt setzt in ihrem Garten alle möglichen Obstbaumsorten zusammen. Die Pomologin wird auch auf der Landesgartenschau dabei sein

Der Kirschbaum gegenüber der Gartenlaube hat eine Art Elefantenfuß. Aus einem dünnen Stamm wächst ein dickerer Baum hervor. „Das macht wohl die Mischung, eine französische Burlat mit einer stark wachsenden Vogelkirsche als Unterlage“, sagt Regina Schmidt und schmunzelt. Gemeinsam mit ihrem Mann Manfred Schmidt, dem langjährigen Vorsitzenden des Spargelvereins, hat sie in 30 Jahren aus einem ehemaligen Roggen- und Spargelfeld am Mühlenberg in Schlunkendorf einen blühenden Obstgarten gemacht.

Genauer gesagt, handelt es sich eher um ein Forschungslabor. Die ehemalige Obstbau-Wissenschaftlerin an der Berliner Humboldt-Universität kann es auch im Rentenalter nicht lassen, immer wieder Baumsorten auszuprobieren und zu veredeln. Verschiedene Sorten pfropft sie auf entsprechende Unterlagen, die als Basis für die Veredelung einen stabilen Stamm mit Wurzeln bilden. 80 Apfelsorten, diverse Kirsch-, Aprikosen-, Birnen- und Quittengehölze wachsen auf der Wiese. Insgesamt sind es 120 Bäume. Ihr ganzes Leben lang hat sich Regina Schmidt mit diesen stämmigen Pflanzen beschäftigt – vom heimischen Obstgarten in Stölln über die Lehre in der Baumschule in Ketzin bis hin zur Forschungsarbeit an der Universität und nun in ihrem eigenen Garten.

Die sehr verbreitete Burlat-Kirsche ist selbst aus einem Zusammensetzen verschiedener Sorten hervorgegangen. Der französische Obstbauer Léonard Burlat wurde 1915 zum Militär nach Lyon einberufen und entdeckte dort auf einem Schießplatz einen schönen Kirschbaum. Mit einem Reis veredelte er zu Hause eine Wildkirsche – und schuf so die noch heute überaus beliebte Süßkirschenart, die 30 Prozent der französischen Kirschproduktion ausmacht.

Nach demselben Prinzip veredelt Regina Schmidt noch heute die Bäume. Die Baumexpertin zeigt die Stelle, an der sie ein Reis auf eine Unterlage gesetzt hat. Für den Laien ist kaum ein Übergang zu erkennen. Im Prinzip handelt es sich um eine Transplantation eines Pflanzenteils auf eine andere Pflanze. Dadurch wird der ursprüngliche Baum sozusagen geklont. Eine veredelte Pflanze ist eine Chimäre, also ein Organismus aus genetisch unterschiedlichen Geweben. Eine andere Technik, die Regina Schmidt ebenfalls anwendet, ist die so genannte Okulation. Dabei wird eine Knospe des Edelreises, das so genannte Auge, in die Unterlage eingesetzt.

Ein Vorteil dieser Veredelung ist, dass das Edelreis so einen robusten Unterbau bekommen kann, der zum jeweiligen Boden passt. Regina Schmidt ist ständig am Ausprobieren. Sie zeigt auf einige Apfelbäume, die deutlich kleiner sind als die benachbarten gleichaltrigen Gehölze. „Diese Unterlagen eignen sich nicht“, sagt Regina Schmidt.  „Das wird nichts, die kommen ja gar nicht aus dem Knick.“ Die richtige Basis, das ist schon die halbe Miete. Auf den leichten Sandböden rund um Beelitz eignet sich als Unterlage für Kirschen am besten die wilde Vogelkirsche, hat Regina Schmidt herausgefunden. Eine Erkenntnis, die dem Feld-Wald-und-Wiesen-Gärtner im Gartencenter natürlich niemand sagt. „Die wissen es ja auch nicht“, sagt Regina Schmidt. Aber auch die heimischen Landwirte sind nicht in allen Fachgebieten gleichermaßen versiert wie im Spargelanbau. Gegenüber einem Großbauern hat sich Regina Schmidt sogar in die Nesseln gesetzt, als ihr herausrutschte, dass er für seine Obstplantage die falsche Unterlage genommen habe.

Mit der Veredelung können die Obstbauern aber auch seltene Sorten herüberretten, wenn der ursprüngliche Baum eingeht. „Wenn mich Leute fragen, sage ich, schneiden Sie ein Reis und lassen Sie es in der Baumschule veredeln“, sagt Regina Schmidt.

Viele halb vergessene alte Sorten kultiviert die Pomologin, also Apfelexpertin, in ihrem Garten – von dem Winterapfel „Berlepsch“, der Jahrhunderte alten „Goldparmäne“ bis zum würzigen „Minister von Hammerstein“. Besonders gut schmecke ihr auch der Herbstapfel „Carola“, sagt Regina Schmidt. Auf einem Baum wachsen sogar 20 verschiedene Sorten. „Ich brauche die für Ausstellungen, wo ich viele alte Sorten zeigen muss“, sagt die Pomologin. Die Reiser hatte sie teils von anderen Leuten erhalten, teils von den Versuchsflächen der Humboldt-Universität mitgebracht. In den 30er Jahren wurden am Institut für Obstbau in Berlin-Dahlem auch neue Sorten gezüchtet. Obstbauern können Sorten kreuzen, indem sie die Blüten mit dem Pollen einer anderen Sorte bestäuben. Ein langwieriges und mühseliges Unterfangen, das oft erst nach Jahren zu einer anerkannten neuen Sorte führt, wenn überhaupt.

Als ausgewiesene Expertin war Regina Schmidt schon bei diversen Obsttagen eingeladen, beispielsweise beim Rosengut in Langerwisch, beim Botanischen Garten oder dem Britzer Garten in Berlin. Menschen kommen dorthin, um zu erfahren, welche Äpfel in ihrem Garten wachsen oder was das für eine Sorte ist, die der Opa einst aus Ostpreußen mitgebracht hat. „Mir reichen zwei bis drei typische Äpfel“, sagt sie. Die Pomologin hat unlängst auch einen Beelitzer beraten, der Spalierobst an seinem Haus wachsen lassen will. Wer bei den Schmidts über den Zaun guckt, bekommt auch gern den Garten gezeigt oder ein paar Kirschen herübergereicht.

Regina Schmidt ist Mitglied im Pomologenverein und wird mit dem Verein sicherlich auf der Landesgartenschau in Beelitz vertreten sein. Darüber hinaus möchte Ortsvorsteher Detlef Schönrock auch den Garten bei der Präsentation des Ortsteils Schlunkendorf im Juli vorstellen, beispielsweise durch Fotos.

Trotz ihrer jahrelangen Erfahrung ist Regina Schmidt immer noch neugierig. Wenngleich sie dafür gleichzeitig enorm viel Geduld braucht. Denn sie muss teils jahrelang warten, bis sie die Ergebnisse ihrer Experimente sieht.  So hat sie einst von der Beelitzer Babyallee ein Reis mitgenommen. Sie wollte einfach wissen, was sich hinter der Bezeichnung „Wiesenapfel“ verbarg. Das Reis wächst jetzt in ihrem Garten auf einem Baum heran.

Antje Schroeder

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